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heute ist Sonntag...



Ich sitze an meiner Töpferscheibe und zentriere mich.

Dazu nutze ich eine Bestellung von 100 Bechern, die demnächst, möglichst bald –

also noch heuer - fertig werden sollen.

Nicht alle auf einmal. Poco a poco.

Aus einer Packung Ton mache ich 25 Becher.

Dazu brauche ich ca. zwei Stunden. Ohne Kneten.

An manchen Tagen schaffe ich das zweimal.

Aber heute ist Sonntag.


Während ich drehe, geht mir allerhand durch den Kopf.

Während ich den Ton forme, meine Finger und mein Körper ihrer

eingeübten Choreografie folgen, schweifen meine Gedanken.

 

Mir fällt ein:

Vor nicht allzu langer Zeit hat mir jemand gesagt, dass er meine älteren und etwas unregelmäßigeren Arbeiten eigentlich lieber mag, weil die noch nicht so perfekt aussehen.


Der schwarze Ton, den ich verwende, hat ein paar Unregelmäßigkeiten.

So kleine harte Knöllchen, die man beim Drehen spürt und dann auch sieht.

Nicht sehr und wahrscheinlich auch nur, wenn man es weiß.


Mein Bedürfnis nach Klarheit, Regelmäßigkeit und Perfektion in der Arbeit

war in letzter Zeit sehr groß.

Wenn das Leben fordernd ist, hilft es mir, Ränder zu polieren und exakte Kanten abzudrehen.


Die kleinen Knöllchen werde ich aber heute lassen, wie sie sind.

Als kleine Erinnerung daran, dass es genug sein darf.

Gut und genug.

So wie es ist.

 

Mir fällt ein:

Ich war im Geschäft. Es war nicht viel los, aber eine Tasse habe ich verkauft.

Anna - denn eine Anna war es – hat sich viel Zeit genommen.

Sie hat lange überlegt, die Farbe, die Form, die Größe…

Wir sind sogar auf die Leiter gestiegen und haben mehr Tassen von ganz oben heruntergeholt.


Anna hat alle Tassen in die Hand genommen, so wie man Keramik in die Hand nehmen muss (ich würde nie eine Keramik kaufen, die ich nicht in der Hand gehabt habe),

hat sich dann eine ausgesucht und mitgenommen.

In der Tür hat sie sich noch einmal umgedreht:

„Ich danke dir vielmals für diese wunderschöne Tasse!“


Mir fällt ein:

Ich war im Zug. In der Früh sind die Züge überfüllt, aber ich hatte einen Sitzplatz ergattert.

Die junge Frau gegenüber schaut mich schon längere Zeit an – stimmt was nicht?

Sitzt meine Frisur nicht? (Das tut sie übrigens nie, die Frisur...)

„Ich kenne dich! Ich lese deinen Newsletter. Wie geht es deinem Fuß?“

Wir haben uns dann sehr nett unterhalten. Über Kunst und Pädagogik.

Übers Unterrichten und übers Töpfern.

Mitten im knallvollen Zug.


Mir fällt ein:

Wir hatten eine Verabredung, zum Abendessen.

Der Bär ist krank geworden und alleine wollte ich nicht hingehen.

Ich habe also abgesagt, mich entschuldigt, es ist mir alles ein bisschen zu viel im Moment.

Mit schlechtem Gewissen, das schon, aber lieber bin ich ehrlich, hab ich mir gesagt.

Die Antwort: „Danke für deine Nachricht und danke für deine Entscheidung!“

Die Entscheidung für – mich und meine Bedürfnisse…

 

Schöne Gedanken sind es, die da durch meinen zentrierten Kopf wandern.

Schöne Begegnungen. Schöne Rückmeldungen.

Die Anspannung lässt langsam nach.

Das (kon)zentrierte Arbeiten an der Töpferscheibe hilft mir dabei.

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